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Die Herrin der Welt (1919)
Filmzyklus in 8 Abteilungen


Die Filmdörfer der Mark

Ein großes Filmwerk, aus acht Teilen bestehend, für acht Abende bestimmt, verlangt echte Chinesenstädte, führt vom Reich der Mitte nach Zentralafrika und von hier im Fluge zurück nach Asien. Der Regisseur eines solchen Filmwerks begnügt sich nicht mit schnell errichteten Bauten, nicht mit Attrappen, nicht mit unechten "Negern" und Chinesen. Unter seiner Leitung entstehen die großen Negerdörfer mit der Negerkolonie, erwacht die Sagenstadt Ophir, von der berichtet wird, daß hier die Königin Saba ihre Schätze begraben habe. Aus Steinen und anderem festen Material gebaut, da nicht mit Beendigung des Films die Dörfer wieder vom Erdboden verschwinden sollen. In der Stadt Ophir, in der die Sabiten lebten, steht der berühmte Tempel der Liebesgöttin Astarte auf einer Terrasse, zu der hundertfünfzig Stufen emporführen.
 Davor wird ein kolossaler Gong geschlagen, der die Sklaven zur Arbeit ruft. Neben dem Marktplatz in Ophir ist eine Sklavenstadt, in der Tausende von schwarzen Sklaven hausen. Sie drehen die Räder eines Dynamos, denn in der Wildnis Ophir wurden Reste einer einzigartigen Anlage entdeckt, die aus Apparaten für "drahtlose Telegraphie" bestanden. Die Motoren fehlen, die Kraft der Sklaven muß sie ersetzen. In einem pompösen Palast königliche Hofhaltung. Große betende Gemeinden, daneben runde, strohbedeckte Hütten. Man fragt sich erstaunt, wie ist es möglich, bei diesen Massen undisziplinierter Menschen eine geschlossene Bildwirkung zu erreichen. Das erzielt die große Regiekunst. Die Massen Schwarzer und Gelber sind in Gruppen von 50 Menschen eingeteilt, von denen jede einzelne von ihrem Gruppenführer eingearbeitet und geführt wird.
Auf den Geländen von Woltersdorf und Rüdersdorf lebt jedoch nicht nur afrikanisches Negervolk. In phantastischer Nähe sieht man an den Ufern eines Sees chinesische Siedlungen. Das große Dorf Kanton mit seinen Ladenstraßen, mit einem Bettlerhof, mit kleinen chinesischen Häusern, in die man hineinschauen kann, mit einer Wasserstraße, auf der zahllose chinesische Boote mit gelben Frauen und Kindern schaukeln, ist entstanden. Hunderte von unseren Fischerbooten sind in strohüberdachte, chinesische Boote umgewandelt, und die bunte Tracht der Frauen und gelben Kinder gibt Kanton und seinen belebten Gewässern echte exotische Farben. Mit überwältigender Großzügigkeit sind die Dörfer und Siedlungen der fremden Erdteile aufgerichtet. Riesengroß überragt der Moloch, dem Menschenopfer gebracht werden, afrikanische und chinesische Hütten und fremdländische Familien, die hier eine neue Heimat, einen neuen Beruf fanden. Durch diese fremde Welt, Berlin dicht benachbart, erfährt das Filmwesen unendliche Bereicherung: Die Filmdörfer der Mark gehören zweifellos zu den sensationellen Erscheinungen des gesamten Filmwesens, denn hier wird etwas geleistet, was man sich vor wenigen Jahren noch nicht hätte träumen lassen... Sie sind sozusagen ein Fremdenführer, der uns Menschen und Zustände ferner Welten erklärt und näher bringt, der uns Sitten und Gebräuche exotischer Völker vor Augen führt, die wir bisher nur aus Büchern kannten.

Ola Alsen

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